Title Image

Trauma integrieren beim Pferd geht das?

Trauma integrieren beim Pferd geht das?

Schon oft habe ich den Satz gehört: „Tiere leben im Hier und jetzt“. Doch tun sie das wirklich?

Dazu sage ich ganz klar: „Nein – Das tun sie nicht immer.“

 

Haben Tiere oder auch Menschen Trauma erlebt, spalten sie sich ein Stück weit von sich selbst ab. Sie spalten ihre eigenen Gefühle ab. In der Psychotherapie nennt man das Dissoziation. Es muss sich dabei nicht immer um DAS EINE Trauma handeln. Auch sich wiederholende subtile psychische Gewalt traumatisiert über kurz oder lang ein Individuum.

Die Liste von subtiler Gewalt gegen unsere Pferde ist lang:

 

  • Sie beginnt mit dem frühzeitigen Absetzen der Fohlen von ihren Müttern
  • Viele Fohlen gehen auf die Auktion
  • Häufig früher Beritt bzw. „plötzlicher“ Beritt von einer fremden Person
  • Stallwechsel und damit Eingliederung in einen neuen Herdenverband
  • Das Aufstallen von der Aufzuchtkoppel in der Box
  • Die Kastration mit Narkose und Klinikaufenthalt
  • Das Anbinden am Halfter. Möchte sich ein Pferd losreißen, kann aber nicht, wird sein Fluchtinstinkt unterdrückt
  • Und viele viele mehr…

 

All diese Erlebnisse hinterlassen Spuren

 

Wird ein Lebewesen traumatisiert, wird es also einer Situation ausgesetzt, die

  • heftig
  • unvorhergesehen und
  • schnell passiert.

 

Das Tier spaltet sich vom Erlebten ab. Die Erinnerung an das Trauma wird jedoch im Gewebe des Körpers gespeichert. Das heißt, das Pferd packt dieses Erlebnis weg, tief in den Körper und tut so, als ob es nicht passiert wäre. Dieser Mechanismus wurde von der Natur eingerichtet um für das Pferd ein Weiterleben, ein weiter Funktionieren zu ermöglichen. Es sichert sein Überleben. Doch das heißt auch, dass die Tiere sich nicht mehr richtig spüren.

Es gibt zwei mögliche Folgen:

 

  • Wollen wir mit ihnen arbeiten, sind sie überreizt und neigen zu Übersprungshandlungen. Das kann sich beispielsweise in Schnappen, Scharren, auf dem Führstrick kauen äußern. So versuchen die Pferde, sich der Situation zu entziehen. Sie sind zickig oder auch aggressiv gegen Artgenossen
  • Oder die Tiere sind in sich gekehrt und reagieren auf Ansprache schlecht oder garnicht. Sie sind im Shut Down.

 

(Über die Möglichkeiten von Flucht/Kampf und Totenstarre habe ich bereits in einem Früheren Artikel geschrieben.
Zum Artikel geht es hier: „Was das Pferd mit der Maus zu tun hat – Trauma und Immobilität“)

 

Was braucht ein Pferd also nun um wieder im Hier und Jetzt zu leben? Um einen vollen Zugang zu seinen Gefühlen zurück zu erhalten?

 

Wir können Trauma nicht einfach „weg machen“. Aber wir können Trauma integrieren.

 

Trauma legt sich im Körper nieder in einer Form von „kristallisierter“ oder verdichteter Energie. Wir können dem Tier dazu verhelfen, die durch das Trauma verdichtete Energie, die im Körper gespeicherte wurde vom Gefühl zu entkoppeln. Dem Erlebten wird keine Bedeutung mehr gegeben. Die Emotionen werden also vom Geschehenen losgelöst.

Bei der Behandlung bekommt das Tier die Gelegenheit, sich mit diesen Energien auseinander zu setzen. Als Therapeut helfe ich dem Pferd dabei, indem ich die Aufmerksamkeit des Tieres auf bestimmte Stellen seines Körpers lenke und dem Tier so die Möglichkeit gebe, an Ort und Stelle einmal genauer hinzusehen. Die verdichtete Energie kann sich lösen und das Pferd kann die Energie ziehen lassen. Sie ist nicht mehr im Körper gefangen. So kann der Patient das Erlebnis integrieren. Der Gesamtenergiefluss kann wieder harmonisch im Körper werden. Die Selbstheilungskräfte können wirken. So kann Heilung geschehen.

Ist das Nervensystem des Tieres reguliert und ein Trauma gelöst, können wir an seinem Gesamteindruck schön sehen, dass das Tier wieder voll in seinem Körper angekommen ist. Das Ohrenspiel des Tieres ist entspannt, seine Augen sind klar, sein Blick wird sanft. Unruhige Pferde kommen zur Ruhe, abgeschaltete Pferde zeigen wieder Interesse an ihrer Umwelt. Sie sind wach, präsent und neugierig. Genau dann ist das Tier im Hier und Jetzt.

Das Pferd spürt sich wieder.

Seine Bewegungen werden weicher, fließender.

Es kann in seine volle Kraft kommen.

Das macht sie schöner.

Das Pferd ist in seiner vollen Präsenz.